Fr/ Sa
In den arbeitsreichen und stressigen letzten Schulwochen heiß erwartet, begannen am Mittwoch endlich die Sommerferien und wenig später konnten wir schon in die Berge entfliehen. Während Rainer erneut selbstständig mit dem Auto anreiste, stiegen wir am Freitagabend in den bekannten, wieder 30 Minuten verspäteten Nachtzug Richtung München und es fühlte sich gut an, alles Schulische zurückzulassen. Ganz luxuriös im Viererliegeabteil schaukelten wir mehr oder weniger schlafend durch die Nacht, bevor wir in München in den Zug nach Brixen umstiegen.
In der Helle des Tages konnten wir uns auch gegenseitig begrüßen: in diesem Jahr sind unsere “Altinternationalen“ einmal nicht dabei, dafür einem wahrhaften Generationswechsel entsprechend ganz neue Schülerinnen und Schüler des Quirinus namens Miriam, Laura, Sebastian und Alexander. Sie werden von einer Überzahl von Lehrern bzw. Erwachsenen begleitet, denn außer Uli, Rainer, Roland und mir ist erstmals auch Justine mit unterwegs, eine ehemalige Schülerin Ulis aus Recklinghauser Zeiten.
In Brixen erwartete uns Rainer und bald saßen wir im Bus, der uns eine äußerst kurvige Strecke (Sorry, Laura!!) zum Ausgangspunkt unserer Tour, dem Palmschoss, hinauf transportierte. Die Sonne lachte vom Himmel und so cremten wir uns erst gründlich ein und „zippten ab“, bevor wir den Aufstieg zur Plosehütte (2442 m) begannen. In ca. 3 Stunden stiegen wir die knapp 800 Höhenmeter auf, dabei führte der Weg durch die Landschaft einer großen Skiarena mit einer Vielzahl von Liften, Berghütten und einem Speichersee, dessen Wasser im Winter vermutlich die Beschneiungsanlagen speist. Schön war dieser sommerliche Anblick gerade nicht, doch unsere Gruppe ließ sich davon nicht verdrießen und lief trotz des nicht immer eindeutigen Wegverlaufs hurtig bergan. Schließlich erreichten wir die Hütte, die den Flair einer Skihütte hatte, wo wir aber dennoch persönlich und freundlich aufgenommen wurden. Der Nachmittag verging wie gewohnt bei verschiedenen Getränken und Kuchen wie im Flug und ich war froh, schon sehr zeitig, kurz nach 21 Uhr schlafen gehen zu können!
So
Nach
einer sehr erholsamen Nacht erwartete uns ein Morgen mit dichtem Hochnebel, erst
später zeigte sich die Sonne. Immerhin: Laut Wetterbericht soll sie uns die
ganze Woche begleiten. Welch’ ein Geschenk!! Also trödelten wir ein wenig und
frühstückten gemütlich, bevor wir nach dem obligatorischen Gruppenfoto gegen
9 Uhr aufbrachen. Weiterhin grasige Skihänge querend führte der Weg wenig auf-
und absteigend an Rindern vorbei, die von Miriam freudig begrüßt wurden.
Schließlich ging es eindeutig und stetig abwärts. Auf einem schönen Weg,
teilweise durch Waldstücke, so dass wir der Sonne nicht ständig ausgesetzt
waren, aber den Duft von durch die Sonne erwärmtem Gras und Gehölzen riechen
konnten (ein wenig erinnerte der Duft an die Kräuter der Provence), ließen wir
die Skischaukel hinter uns und tauchten in die Bergwelt der Dolomiten ein.
Nach
einem kurzen Wegstück entlang einer Straße, auf der vor allem deutsche Autos
und Motorradfahrer unterwegs waren, um jeweils auf eigene Art den Sonntag zu
feiern, bogen wir auf den Weg 4 und in den Naturpark der Puez-Geisler-Gruppe
ein. Zum Teil unterhalb imposanter Dolomit“zähne“ führte der Weg endlich
bergauf Richtung Peitlerscharte. Am Weg, teilweise mit kleinen Kletterstellen,
stand eine Vielzahl von Wildblumen, um uns den Aufstieg zu versüßen. Das
letzte Stück des Weges schließlich führte durch kalkweißes Geröll, in das
Stufen eingebaut waren, und forderte der Kondition unserer Newcomer einiges ab.
Doch alle meisterten den Anstieg mit Geduld uns Spucke und freuten sich schließlich,
in der stark bevölkerten Scharte zu stehen bzw. auf Bänken in der Sonne zu
sitzen und einen Snack zu genießen. Von der Scharte (2361 m) schließlich ging
es mehr oder weniger eben zur Schlüterhütte (2301 m), die uns überraschend
nach ca. 6 Stunden Gehzeit hinter einem Bergrücken erwartete. Auch hier trafen
wir es gut an, denn es wurde uns sofort zugesagt, das EM-Finale im Fernsehen
verfolgen zu können. Was möchte man mehr? So verging auch dieser Abend wie im
Flug und ein schöner Tag ging zu Ende.
Mo
Genau genommen stellte die Fernsehübertragung leider keinen guten Tagesschluss dar, denn „unsere Jungs“ spielten im Finale wenig überzeugend und verloren trotz vieler anders lautender Prognosen ihr Spiel gegen Spanien. So schlief der eine oder andere Fan vielleicht unruhiger als sonst, wozu aber auch die Sauerstoffarmut in unserem Lager beigetragen haben mag. Glücklicherweise machte der nächste Morgen aber diese Niederlage vergessen.
Gegen 9 Uhr verließen wir bei Sonnenschein die Hütte. Uns erwartete eine Etappe, die laut Heftchen „bereits höhere Anforderungen an Ausdauer und bergsteigerisches Können“ stellte. Komfortabel, aber allmählich ansteigend führte der Weg in der Morgensonne zur Wasserscharte, von dort steil hinauf zur Forcella della Roa (2616 m). Erstaunlich, wie sehr sich die Technik unserer Tourneulinge in wenigen Tagen verbessert hatte! Nachdem sie den Aufstieg zur Peitlerscharte am Vortag noch so schwierig gefunden hatten, gingen sie nun konzentriert und stetig aufwärts. Oben angekommen wollten wir die nun erreichte Höhe ungern aufgeben. Deshalb suchten wir uns selbstständig einen Pfad im Geröllkegel. Rainer und Roland gingen voran und so stiegen wir nur im Abschluss steil zur Forcella Forces de Sieles (2505 m) auf.
Von der Scharte führte der Höhenweg schließlich allmählich abwärts zur Puezhütte (2475 m), die wir nach 6 ½ Std. Gehzeit erreichten. Leider gerieten wir kurz vor der Ankunft in einen Regenschauer und auch an der Hütte wollte sich keine wohlige Stimmung einstellen, da eine riesige Gruppe italienischer Jugendlicher aus dem Nichts auftauchte und die Hütte belagerte wie ein Heuschreckenschwarm. Ich war schon in Sorge, sie würden dort auch übernachten und uns weder Raum noch einen Krümel Essbares übrig lassen, doch glücklicherweise zogen sie noch vor dem Abendessen wieder ab! Trotzdem war die Hütte in Bezug auf Freundlichkeit der Wirtsleute und Qualität des Essens ein kleiner Tiefpunkt der Tour. Wie in einer italienischen Bar musste der Wanderer jedes Getränk und jede Mahlzeit an der Theke abholen und direkt bezahlen, was der Hütte die Behaglichkeit einer Dönerbude verlieh. Na ja. Immerhin strahlte das Lager unter dem Dach mit 13 in Wolldecken gehüllten und geschickt lückenlos verlegten Matratzen eine gewisse Atmosphäre aus. In Symbiose mit Milliarden von Milben und Staubpartikeln verbrachten wir dort eine sehr gemein- und geruhsame Nacht.
Di
Heute standen wir um 6 Uhr auf, denn eine lange Etappe lang vor uns, die Hüttenwirtin meinte entgegen Ulis Recherchen sogar, dass uns der Weg zur Boéhütte ca. 8 Stunden kosten würde. Also brachen wir schon um 7:45 Uhr auf, wobei wir vor der Hütte nicht in eine Herde Jugendlicher gerieten, sondern uns von Schafen umgeben sahen. Wohin die so früh wohl schon zogen?
Es wurde ein anstrengender Tag, aber die fantastische Landschaft lenkte von schmerzenden Füßen etc. ab. Wir wanderten durch eine Mondlandschaft zunächst leicht bergab, dann steil empor zum Crespeinajoch (2528 m), auf dem ein Kruzifix stand. Von dort oben tauchten wir auf dem Abstieg fast ebenso steil wieder in die Landschaft ein und wanderten später zwischen großen Felstürmen und –blöcken hindurch, die uns wie eine Stadt aus Stein überragten. Vielleicht erinnerte diese Landschaft an Neuss (?), denn die Schülerinnen und Schüler wandten sich Themen wie den Vorzügen nobler Autos und der beruflichen Zukunft zu. Ich hörte mit Verwunderung, dass keiner Lehrer werden will....So unterhalten gelangten wir schließlich zurück in die Region ausgedehnter Wiesenhänge. Sie waren durch Liftanlagen für den Wintersport erschlossen worden, doch nun im Sommer waren sie das Revier von Scharen von Tagestouristen, die vom Grödnerjoch mit seinen Souvenirshops (2137 m) ausgehend die Bergwelt erwanderten.
Durch das Überschreiten der Straße, die zwischen den Läden hindurch über das Joch führt, verließen wir die Puezgruppe und drangen auf steilem Pfad 666 in die Sellagruppe ein. Es war erstaunlich, wie sich aus der Nähe die „Kulissen“ der Berge vor uns jeweils verschoben und unvermittelt Durchgänge eröffneten, die aus der Ferne gänzlich verborgen waren. Immer tiefer stiegen wir in das Gebirge ein. Der Weg verlief in schottrigen Serpentinen, die vermutlich vom Wetter ständig umgebildet werden. Dabei schien er immer wieder in schroffen Felskesseln zu enden, aus denen es aber doch mittels Schneefeld oder mit Drahtseil versichertem Weg stets einen Ausstieg gab. So vergingen die Stunden abwechslungsreich und die Kletterpassagen sorgten bei den Schülerinnen und Schülern für Spaß, bevor wir nach ca. 4 ½ Stunden die an einem See gelegene Piscadiùhütte (2583 m) erreichten, wo wir uns ausgiebig für den Weiterweg stärkten.
So froh ich zunächst gewesen war, dass heute kein sonniger heißer Tag wurde, so sehr versetzte ein kleiner Wetterumschwung mit Regenguss, schwarzen Wolken und Donnern mich in Besorgnis, ob wir die Boéhütte noch angenehm und trocken erreichen würden. Doch wie immer hatten wir Glück, denn das schlechte Wetter zog vorüber und wir erreichten nach einem weiteren Anstieg nach 7 ½ Stunden die Boéhütte (2873 m), die höchste Hütte, in der Uli je genächtigt hat (Höhe im Doppelstockbett wurde berücksichtigt.) Hier nun waren die Lager, die Stimmung und das Essen wieder italienisch-angenehm, wozu auch die verschmitzte Art des Hüttenwirtes beitrug. Nachmittags kam sogar wieder die Sonne heraus und feierte mit uns den Höhepunkt der Tour. Die Gruppe war trotz der Herausforderungen heute gut unterwegs, alle sind fit und fröhlich, was will man mehr!
Mi
Nach einer Nacht in hängemattenartigen Betten genossen wir ein recht ausgiebiges Frühstück, bevor wir um 8:45 Uhr ohne Rucksäcke aufbrachen, um den Hausberg der Hütte, die Boéspitze (3152 m), zu erklimmen. Durch kleine Schneefelder, rostfarbenes Geröll und über einen kleinen Klettersteig wand sich der Weg aufwärts. Schritt für Schritt, dabei aber ziemlich zügig, gelangten wir in ca. 45 Minuten zum Gipfel, auf dem sich neben dem Gipfelkreuz zu unserer Überraschung auch eine bewirtschaftete Schutzhütte befindet, in der wir sogar hätten übernachten können. Nach einem Gruppenfoto an der Madonnenstatue nahmen die Kids stattdessen ein Getränk zu sich, während sich am Horizont hinter ihren Rücken die Nebelschleier öffneten und den Blick auf die Marmolata freigaben, die uns den ganzen Tag begleiten sollte.
Zurück an der Hütte schulterten wir die Rucksäcke und wanderten mehr oder weniger auf einer Höhe in Richtung Pordoischarte (2849 m), oberhalb derer sich die Pordoi-Kabinenbahn befindet, mit der wir uns den Abstieg zum Pordoijoch erleichtern wollten. Wieder führte der Weg entlang Steinmännchen und Markierungspfosten durch mehr oder weniger pflanzenfreie Steinmeere, doch je näher wir dem Pordoijoch kamen, desto mehr Menschen begegneten uns..., die in zum Teil abenteuerlichen Outfits mit der offensichtlich vorsichtigen Annäherung an die Bergwelt beschäftigt waren. Sogar der Hüttenwirt der Boéhütte Ludovico begegnete uns, er hatte vermutlich Gäste „von der Bahn“ abgeholt, die ihrerseits mit Koffer und Tortenschachtel über das Geröll staksten. Ein witziger Vorgeschmack auf die Rückkehr in die Zivilisation, die uns nun wieder bevorstand!
Auf dem Pordoijoch befanden sich die uns nun schon geläufigen Hybridgebilde aus Bar und Souvenirshop, die in den vielen auf dem Bindelsteig wandelnden Tagesausflüglern sicherlich ihre Kundschaft finden. Neben Familien mit frisch gewaschenem Haar und weißen Turnschuhen kam ich mir mit dem Geruch und Schmutz der letzten Woche im Rucksack fast wie ein Räuber vor. Der Weg führte sanft an- und absteigend auf halber Höhe entlang saftiger Wiesen und Blumen, ein starker Kontrast zur Kargheit der Berge, die wir mit dem Ausstieg aus der Kabinenbahn hinter uns gelassen hatten! Zur Rechten thronte die Marmolata, hüllte sich aber wie am Vortag zunehmend in schwarze Wolken, bis schließlich ein ergiebiger Gewitterschauer niederging und uns eine Pause im Rifugio Vièl del Pau (2432 m) bescherte.
Auf dem Weiterweg schließlich war uns bald der Fedaiasee vor Augen, zu dem wir bald steil absteigen mussten. Im über 100 Jahre alten Rifugio Castiglioni alla Marmolata direkt am See verbrachten wir den letzten Nachmittag der Tour mit duschen, über die Staumauer spazieren, Kuchen essen. Noch vor dem Abendessen hatten wir unsere Abschlussbesprechung, die für uns überraschend offenbarte, als wie schwierig die Schülerinnen und Schüler die Tour empfunden hatten... Schade, dass bei dieser Kritik in den Hintergrund trat, wie toll die diesjährige Tour gewesen war. Gerne würde ich nochmals in die kühne Bergwelt der Dolomiten eintauchen!
Do
Zu schnell war – aus meiner Sicht – der Abreisetag also gekommen. Nach einer urigen Nacht in „Abteilen“ à 3 Betten, die unter dem Dach des Hauses eingerichtet waren, brachte uns ein Charterbus ganz komfortabel (außer für die arme Laura) nach Brixen, wo wir uns von Rainer verabschiedeten und noch Lebensmittel für die Zugfahrt einkauften. Eine durch Verspätungen und den Ausfall der Klimaanlage nur wenig beeinträchtigte schnelle Zugverbindung brachte uns fort aus den Bergen und zurück nach Hause, wo uns noch die unterschiedlichsten Ferienaktivitäten erwarteten. Dennoch bleiben die Bergwochen mit der HGW-AG die Höhepunkte der Sommerferien. Uli, noch weitere 14 Jahre, oder!?