Tourtagebuch 2002 - Wettersteingebirge

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das Tagebuch

der Hüttentour 2002

durch das

Wettersteingebirge 21.-27. 8. 2002

wie immer und in bewährter Weise verfasst von Annette Rabeler

Viel Vergnügen beim Lesen und Schmunzeln !

Mittwoch

Tatsächliche Zeit = 19.40 Uhr. Gefühlte Zeit = 23.00 Uhr, eine Stunde nach der Hüttenruhe... Wir, oder zumindest ich, bin so wenig energiegeladen, weil unsere diesjährige Tour ins Wettersteingebirge mitten in der Nacht begann. Der Zug sollte um 3.31 Uhr aus Köln abfahren, traf aber mit zwanzig Minuten Verspätung ein, obwohl er nicht aus Russland (oder so) kam und der Berufsverkehr noch nicht begonnen hatte. Und da der Zug sich nicht beeilte, die Verspätung wieder hereinzufahren, mussten wir in Frankfurts Sackbahnhof hurtig das Gleis wechseln, unsere erste größere Wanderung dieser Tour. Aber ein wenig Bewegung tut auf langen Bahnfahrten ja bekanntlich gut, zumal der Rest der Anfahrt über München und Garmisch ereignislos, zum Teil buchstäblich wie im Schlaf verflog. In Garmisch angekommen, gönnten wir uns deshalb zum Aufwachen einen Kaffee beim Italiener, Rainer eine Eis-, äh, heiß(e) Schokolade, bevor wir faul mit der Zugspitzbahn bis zum Gipfel des höchsten „deutschen Berges“ fuhren. (Wie eine Passantin es formulierte: „Ach, Sie wollen nur herunterlaufen!“)

Oben angekommen schneite es leicht und die Sicht aus der Seilbahn und von der Gipfelpanoramaterrasse war benebelt, ein Grund, warum Uli und ein Teil der Gruppe diesen Ausflug gern hätten ausfallen lassen. Trotzdem konnte man erahnen, wie kühn die Stahlbetonkonstruktion der Bergstation auf den steilen Fels geklebt ist, übermächtig neben einigen Felsbrocken, die das Fundament des Gipfelkreuzes bilden, zu dem wir aber nicht weiter (10 Schritte aus der Terrasse heraus) aufstiegen. Um aus dem Schneegrieseln (würde Wetterfrosch Kachelmann sagen) und dem kalten Wind bald herauszukommen, erkundeten wir den Weg zur Knorrhütte: Am Münchner Haus (2962 m) vorbei, das neben Bergstation und Wetterwarte eingepasst ist, geht es stufenweise in den Wolkennebel, große Schilder, die auf die Lebensgefahr beim Verlassen der Panoramaterrasse hinweisen, verleihen dem Abgang eine gewisse Dramatik.

Steil und in Kehren führt der Weg durch viel loses Gestein abwärts, komplett mit Drahtseilen versichert eine perfekte Freizeitanlage, wie Rainer sie liebt. Hinter mir fanden allerdings Gespräche statt des Inhalts, dass man bisher lediglich in der Eifel gewandert und vom Weg beeindruckt sei. Die Novizen mussten schnell lernen, im Geröll „abzufahren“, alle schlugen sich aber tapfer. Ein knackiger Einstieg unserer diesjährigen Tour! In einer mit Skiliftpfosten verzierten Senke unterhalb des Gipfelaufschwunges geht der Weg in weniger steiles Gelände über, üppig markiert durch vierzig, in 40 Metern Sichtweite aufgestellten, nummerierten Pfosten als Hinweis darauf, wie neblig es auf diesem Weg häufig sein muss. Uns gegenüber zeigte sich das Wetter aber unentschieden, meist war die Sicht klar, aber es regnete. Auf einem angedeuteten Pfad wanderten wir an den Pfosten entlang abwärts über zum Teil lachsfarbenes, vom Regen etwas seifiges Kalkgestein und erreichten pünktlich nach zwei Stunden die Knorrhütte (2051 m), wo wir von einer etwas zickigen Wirtin empfangen und instruiert wurden. Die etwas knapp bemessenen Lager versprechen eine kollisionsreiche Nacht, von Dirks und Ulis „Schnarchgradienten“ über alle LehrerInnenlager hinweg ganz zu schweigen, das Essen gab sich ganz als Hommage an die sterbende Kohlewirtschaft im Revier (vielleicht im Andenken an unsere gemeinsamen Zeiten am FvS, dem Ursprung der Wander-AG.) Sämtliches Essen war nämlich sehr gar, vom Kuchen über die Lasagne und Dirks „Fleischpflanzerl“ (=Frikadellen) bis zu Ulis Gulasch, das teilweise auch Steinkohlestückchen hätten sein können. Da es aber warm ist in der Gaststube (ganz im Gegenteil zum Trockenraum und WC) und kühle Getränke zur Verfügung stehen, schlagen die Stimmungswellen wieder hoch, zumal Britta und ihre Freundin Katrin zu uns gestoßen sind. Lange nicht gesehen!!

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Donnerstag

Der gestrige Abend endete rechtzeitig, denn um 21.15 Uhr lagen wir schon (etwas entflochten) auf den Lagern, eingesponnen in unsere (bei Uli Seiden-) Kokons aus Schlafsack und Decken, und der Schlaf kam, bevor das Licht gelöscht war. Nach einer erholsamen Nacht begann der Tag bei blauem Himmel und Sonne, was uns tatendurstig die Rucksäcke schnüren ließ.

Die erste Herausforderung des Tages war das Frühstück, das mit echt bayerischem Bergbrot aufwartete, so kompakt, dass Uli fürchtete, davon dahingerafft zu werden. („Bergsteiger von Hüttenbrotscheibe erschlagen!“) Kein Wunder, dass den Bayern die Zunge beim Sprechen so schwer im Hals liegt!

Nach dem obligatorischen Hüttenfoto, umgehost in kurze Hosen, gecremt und sonnenbebrillt wanderten wir um kurz nach 9 Uhr los. Bei schönstem Wetter wurde es eine ausgedehnte Wanderung durch herrliche Landschaft, die Ausblicke ins Tal waren fast wie Postkartenbilder. Auf einer (wie mir schien) großen Linkskurve führte der Weg ohne große Auf- und Abstiege abwärts zur Wettersteinhütte (1717 m). Schon bald kamen wir an das Gatterl, einer beeindruckenden Grenzstation zwischen Bayern und Österreich. Nachdem man an keiner Grenze der EU mehr kontrolliert wird, hätte es mich hier am Tor und Zaun zum Nachbarland nicht gewundert, meinen Personalausweis vorweisen zu müssen. Doch kein schnieker Grenzer wartete auf uns und so konnten wir unsere Wanderung an Kühen vorbei und über ihre Tretminen auf dem Weg hinweg fortsetzen.

Der Weg war vom Regen der letzten Tage und dem Vieh teilweise derart matschig, dass höchste Konzentration gefragt war, um die Füße auf trockene Stellen zu setzen. Besonders Bettina aber hatte ihren Matschsensor eingeschaltet und trat knöcheltief in den Schlamm („Auf das Gras! Auf das Gras!“), um sich den Camouflage-Look zu verpassen, für den Damen in Boutiquen üblicherweise viel Geld hinblättern. Ihr wurde es im Verlauf der Wanderung „much too much“ (Zitat Anja) und erst gegen Ende der diesjährigen Tour hatten sich ihre Hose und Schuhe so weit selbst gereinigt, dass die ursprüngliche Farbe wieder zu erkennen war.

Strategisch geschickt entlang des Weges sind zwei Hütten platziert, in die wir gerne einkehrten, um die Piz Buin-Stellung einzunehmen und Sonne zu tanken. Am Steinernen Hüttl gab es für mich rahmige Buttermilch, auf der Rotmoos-Alm (1904 m) Holundersaft, dazwischen erstiegen wir so gestärkt hurtig (vor allem Rainer!) den Predigtstuhl (2234 m), einen Steinkegel aus senkrecht in den Boden versenkten Felsscheibletten. Das letzte Drittel des Weges schließlich führte durch Gruppen von Pferden, die Philipp fast alle persönlich bestreicheln musste, und Schafschöre, die Gotthilf Fischer hätten erblassen lassen. Wir wanderten fast wie durch einen Zoo, denn auch Murmeltiere wurde gesichtet. Dabei öffneten sich zum gemischten Vergnügen der Gruppe auch immer wieder neue Talkessel, die zu umwandern waren, derweil die Hütte sich versteckt hielt. Um 17.15 Uhr erreichten wir sie nach ca. 6 ½ Stunden Gehzeit aber doch, eine urige Privathütte, wo wir vor dem Essen noch ein wenig in der Sonne sitzen und uns von der drallen Martha Kaffee bzw. Bier servieren lassen konnten. Inzwischen sitzen wir abgefüttert mit Tiroler G’röstl (ein alter Bekannter) in der Gaststube, der Ofen kocht, und reden über Schule, während die Kids spielen. Mal was anderes!

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Freitag

Heute fand unsere Wanderung durch den Alpenzoo ihre Fortsetzung. Auf den Rat Marthas hin stemmten wir uns eine Stunde früher als sonst aus den Lagern und verließen schon um 8 Uhr die Hütte. Beim Aufstieg zum Scharnitzjoch (2048 m) wurden wir wieder von den versammelten Schafschören bebääääht, eine Karawane von Schafen lief uns sogar bis zum Joch nach, wie um sicherzustellen, dass wir ihr Tal wirklich verließen. Unterhalb der Schüsselkarspitzen, grandiosen, steil aufragenden Kletterwänden, wanderten wir auf grünen Matten bis zum Abzweig zum Söllerpass (2211 m). Dort pausierten wir vor dem, laut Ulis Heftchen „äußerst steilen und anstrengenden“ Aufstieg. Uns beäugte eine Gruppe hübscher Jungrinder; ich bin mir nicht sicher, ob die Schafe und Rinder darauf aus sind, Salz von unseren Rucksäcken zu lecken? Schließlich gingen wir vorbei an zahlreichen „Edelweiß“ (=Silberdisteln...) den Aufstieg zum Pass an.

Vom Tal aus war der Verlauf des Weges selbst durch Ulis neues Zoomobjektiv nicht zu erahnen. Er führte mühsam erst über steinige Wege, dann durch Fels wandernd-kletternd im Zickzack aufwärts. Unzählige Blasenpflaster dokumentierten unseren Anstieg. Der Kampf ums Matterhorn war nichts dagegen! Weit zog sich die Gruppe auseinander, doch glücklicherweise lud die Sonne immer wieder dazu ein, auf die letzten zu warten. Lieb gemeint, rang Anja und mir die Aufmunterung eines 50 Meter über uns kraxelnden Schülers, von ihm aus seien es nur noch 2 Minuten bis zum höchsten Punkt, nur ein sehr müdes Lächeln ab.

Oben angekommen, markiert der Pass den Übergang vom eher grünen Postkartental unterhalb der Schüsselkarzähne in eine riesige, kahle Felsschüssel, das Leutascher Platt. Teilweise wirkt es wie mit Fels ausgegossen, wobei der Stein Verwitterungsformen zeigt wie in der Sonne tauender Schnee. Um das Bild der fast-Trostlosigkeit noch ein wenig zu überzeichnen, öffnete sich am Pass auch der Blick auf unser Tagesziel, die Meilerhütte (2372 m), die ganz AV-gerecht gegenüber auf den Törlspitzen festgeklebt ist. Also durchwanderten wir den Kessel, erst hinab, hinab, dann hinauf, die Saftjungs um Heidi ganz illegal und ungebremst vorausstürmend, streichelten unterwegs ein zahmes Schaf, viel mehr Leben war in der Steinwüste nicht zu verzeichnen, und kamen gegen 15 Uhr nach ca. 6 ½ Stunden Gehzeit an der Hütte an, die hart an der deutsch-österreichischen Landesgrenze errichtet ist.

Welch eine Zierde für Alpenvereins-Asketen! Die Lager sind so eng, dass man nicht mehr durch den Gang am Kopfende gehen kann, wenn die Rucksäcke nicht auf der Bank stehen, die sich die Wand entlang zieht. Das „Scheißhäusl“ (Zitat) ist ein veritabler Donnerbalken. Im ersten Stock sitzend befällt den Nutzer die Sorge, wie es dem unter einem im Erdgeschoss Sitzenden gehen mag... Die Krönung aber ist das Waschhaus, talseitig durch eine Wanderung um die Hütte zu erreichen. Von außen sieht es aus wie eine alte Kutschenremise, innen präsentiert es sich als fast leerer Raum mit Abfluss im Boden. Wenn sich die Augen ein wenig an das Dämmerlicht gewöhnt haben, erkennt man rechts einen Kaltwasserhahn, links und geradeaus an der Wand aufgestellte Arbeitsplatten aus dem Baumarkt, dazwischen einen einfachen Vorhang. Der hintere Teil muss also der Damenwaschraum sein. Hier stehen säuberlich auf der Arbeitsplatte, dem Waschtisch (haha), aufgereiht rote, blaue und graue Plastikschüsseln und laden zur Benutzung ein. Einmalig! Das hat selbst der bewanderte Rainer noch nie gesehen! Selten war Wanderers Katzenwäsche so erfrischend spartanisch!

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Samstag

Nach einer intensiven Nacht, die wir zum Teil in Zickzack-Stellung, d.h. Knie an Knie, Nase an Nase, Po an Po verbrachten, pellten wir uns einzeln aus dem Lager, um über die österreichisch-deutsche Grenze dem Waschhaus zu zuwanken. Vom kalten Wasser und Frühstück erfrischt zogen wir um 9 Uhr los Richtung Reintalangerhütte.

Dazu mussten wir –wie mir schien– endlos ins tiefste Bayern absteigen, zunächst in gerölligen Kehren, ab dem Schachenhaus (1866 m) zum Teil durch Wald über Wege, die an steilen Felswänden vorbeiführten, manchmal über fein angelegte Stufen mit Drahtseilgeländern. Am Weg standen die schönsten Wildblumen, heute erstmals intensiv blauer Eisenhut, wofür wir aber nicht ganz den Blick hatten, denn der Nacken wurde fast steif vom konzentrierten auf-den-Weg-Starren, unabdingbar, um nicht im steilen Abgrund zu verschwinden, an dem der Weg streckenweise vorbeischlängelte. Am Schachenhaus verabschiedete sich Britta von der Gruppe, und leider auch Anja, die sich für den weiteren Weg nicht fit genug fühlte. Im Nachhinein betrachtet war das vielleicht eine weise Entscheidung, denn der Abstieg ins Tal wollte gar nicht enden. Wegen der Ähnlichkeit mit Abstiegen früherer Jahre kam bei mir fast letzter-Tag-Stimmung auf, als ob am Talgrund der Bus auf uns wartete.

Unten angekommen rasteten wir wiederholt, zunächst auf einer grünen Lichtung am Abzweig ins Reintal (jaaa, bewusst ohne „h“), dann an der Bockhütte (1100 m), die sich fest in der Hand von Tagesausflüglern befand. Dort betätigten sich sofort einige Jungs als Biber und bauten Dämme und Wasserrinnen in die blau dahinsprudelnde Partnach, während Heidi sich auf eine ein-Stein-Insel in den Fluss hinaus wagte, von der aus sie nur durch das kalte Bergwasser watend zurück ans „Festland“ gelangen konnte. (Hatte da nicht jemand „geholfen“, die Verbindung abreißen zu lassen? War der Stiefel eigentlich nass?) Uli, unser Paparazzo, hielt diese Idylle aus dem Hinterhalt heraus fest, ich schlürfte mir mal wieder eine B-Milch. Schließlich setzten wir unsere Wanderung fort, nicht ganz so idyllisch, denn uns kamen auf dem breiten Kiesweg zur Hütte zahlreiche Mountainbiker und zwei Motorradfahrer entgegen, die es ganz selbstverständlich fanden, dass wir aus dem Weg hüpften bzw. die uns in lange nicht gerochene Benzinwolken hüllten. Wochenende! Die Kids legten einen Turboschritt vor, um zur Blauen Gumpe zu gelangen, wo sie sich weiteren Wasserspielen hingeben wollten. Dort angekommen bestaunten wir den intensiv türkisen Bergsee mit sicherlich sehr frischem (!) Wasser, bevor Uli, Rainer und ich die Mannschaft unter der Aufsicht von beach-Dirk (mit dem erforderlichen Rettungsschein) zurückließen. Man wollte baden, während wir der Hütte zustrebten.

Ich hoffte noch, alle Tagesausflügler, die uns begegneten, würden dort lediglich zum Kaffee oder auf ein Bier einkehren und uns die Hütte abends überlassen, dieses stellte sich später jedoch als Wunschdenken heraus. Die Reintalangerhütte (1366 m) ist eine urige alte Hütte, die zum Ausflugshotel mutiert ist. Sie liegt malerisch am Talende und wird nur mit dem Hubschrauber beliefert. Die Partnach strömt mehrarmig vorbei, am Fluss und auf den Everest-mäßig durch Leitern verbundenen Flussinseln stehen Biergartentische, buddhistische Gebetsfahnen flattern im Wind. Wir drei verbrachten einige entspannte Minuten an dem Tisch in der Flussmitte, bevor der Friede jäh zerplatzte, indem Uli uns in der Hütte anmeldete. Uns wurde der Winterraum der Hütte zugewiesen, urig mit 4,5 Metern Endlos-Etagenbett, Holzfeuer-Herd, Wäscheleine und Esstisch, aber sehr eng für uns 18 Personen. Als wir nachfragten, ob wir uns nicht etwas entzerren könnten, gerieten Uli und ich gleich mit dem Hüttenwirt, dem „sozialen“ (Eigenzitat) Charley, aneinander. Er hatte seine Hütte so überbucht, dass wir keinesfalls mit mehr Personen, Britta oder Anja, hätten anrücken dürfen. Dann verrechnete sich die Hüttencrew noch kräftig bei der Abrechnung, Uli erhielt als Beilage zu seinem Bergsteigeressen eine frische Heftzwecke, aber „das kann schon mal passieren“ (Zitat Bedienung). Inzwischen sitzen wir friedlich auf der Terrasse und Dirk, Roland, Philipp D. und Johannes spielen passenderweise Mensch ärgere dich nicht, doch unser Fazit lautet: Nie wieder deutsche AV-Hütten!

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Sonntag

Wer dachte, das Lager auf der Meilerhütte sei beengt gewesen, dem taten sich auf der Reintalangerhütte ganz neue Erfahrungswelten auf. Rein rechnerisch standen pro Schläfer 50 Zentimeter Matratze zur Verfügung, aber das ist so eine Sache mit den Zahlen...die 50 Zentimeter fühlten sich sehr eng an. Zickzack-Liegen wurde von fast-Löffelchenliegen abgelöst, überhaupt verging einige Zeit, bis sich alle nebeneinander eingefädelt hatten. Um diesen Prozess zu erleichtern, sangen die Kids und (er besteht auf gesonderter Erwähnung) Roland vollmundig „Einer passt noch, einer passt noch ’rein!“ Ein echter Schenkelklopfer, wenn das noch möglich gewesen wäre! Trotzdem, als ich morgens aufwachte, war ich sehr überrascht, überhaupt geschlafen zu haben. Richard, der wie ein Stein geschlafen hatte, meinte gar erfrischt, das sei die beste Hütte überhaupt gewesen! Dä!

Apropos Aufwachen: Der Wecker war wie immer auf 7.30 Uhr gestellt, doch pünktlich um 6.30 Uhr flog die Tür des Winterraumes auf, das Licht wurde angeknipst und Wirt Charley, Supertyp Sohn mit den Buddhaaugen zwischen den Schulterblättern plus eine weitere Person traten herein. Bevor wir noch ganz wach waren, zückten sie Hackbrett und zwei Gitarren und klampften uns eine Doktor Schiwago-artige Weise, dem ein markiges „guten Morgen!“ folgte. Yo, so war das. Nacht jäh beendet und so begannen wir von Uli angeführt in Schichten das Gerödel.

Da Uli vom Hüttensohn geraten wurde, als Gruppe nicht unserem ursprünglichen Plan zu folgen und über den Schützensteig zur Mauerscharte (1890 m) aufzusteigen, stiegen wir ab 9 Uhr zunächst wieder zur Bockhütte ab, um dort in den Bernadeinsteig einzubiegen. Dieser Weg war ähnlich beschaffen wie unser Abstieg vom Vortag. So wie wir gestern endlos nach Bayern abgestiegen waren, stiegen wir heute durch Wald 400 Höhenmeter in Richtung blau-weißer Himmel auf. Nach dem Regen der letzten Nacht war es wieder ein sonniger Tag, doch stand im Wald die Luft, so dass unsere Wanderung bald zum Sauna-Walk wurde. Die Luft zirkulierte erst wieder, als wir am oberen Abzweig zum Schützensteig aus dem Wald traten und mit Blick auf die Hütte und sich in die Wolken emporschraubende Paraglider an bizarren Felstürmen vorbei auf unser Tagesziel zu wanderten. Um nicht zu früh anzukommen, bremsten wir noch einmal die Rennziegen um Heidi, dennoch waren wir schon um 13.40 Uhr nach ca. 4 Stunden Gehzeit am Kreuzeckhaus (1652 m). Dort beglückte uns Uli mit einem riesigen Lager (endlich!) aus über die ganze Dachlänge hinweg aufgestellten geräumigen Doppelbetten, danach bliebt reichlich Zeit, dass sich jeder nach seiner Fasson vergnügen konnte. Gegen jede Asketenregel habe ich mir eine Dusche genehmigt, für die man als Duschmarke erst mal eine alte DM-Münze erstehen musste. Es waren die kürzesten zwei Minuten Warmwasser der Welt, doch, wie Philipp D. treffend bemerkte: „Ich wusste gar nicht, wie gut es sich anfühlen kann, sauber zu sein!“

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Montag

Nach Dirks einziger Lesung dieser Tour verbrachte ich (ohne Geronimo) eine herrlich traumlose Nacht (nur kurz unterbrochen von Bettinas lauter Konversation mit unsichtbaren Traumpartnern), das Wetter war wieder super, doch für einige Kids begann der Tag buchstäblich übel. So war ich einmal nicht als Stockdoktor gefragt, sondern als Menschendoktor und verordnete „orthopädische“ Frühstücke aus Kamillentee und trockenem Brot.

Glücklicherweise erwartete uns heute unsere bisher kürzeste Etappe. Es ging fast ebenerdig hinab ins Höllental, im letzten Teil des Weges entlang „spektakulärer“ (Zitat Uli) Steige, die sicherlich dieselben Knappen in den Fels gehackt haben, die auch die (heute geschlossenen) Knappenhäuser am Weg geschnitzt haben. Uli verknipste einen ganzen Film, während wir mal ohne dynamischen Vortrupp abwärts tappten, zunächst noch von den fortzubildenden LehrerInnen verfolgt (Florian Flötenwürger zum Beispiel.) Nach spätestens 2 ½ Stunden erreichten wir die Höllentalangerhütte (1381 m), unsere letzte Station, wo sich die Kranken stracks in die Lager legten, um erst nach zwei bis drei Stunden Schlaf etwas restauriert wieder aufzutauchen. Wir anderen setzten uns in die Sonne und ließen den Tag bei verschiedenen Speisen und Getränken vorüberziehen. Vom Kaffeetisch aus konnten wir zum Teil die Kraxelei fünf gesunder Jungen unter Dirks und Rolands Führung verfolgen, die sich zum Großen Waxenstein aufgemacht hatten, kurz unter dem Gipfel (2277 m) aber wegen der unsicheren Wetteraussichten wieder umkehrten. Inzwischen sind wir schon mit Abendessen abgefüttert und sitzen in der gut gefüllten Stube. Die Kids hocken am kochenden Kachelofen und spielen gruppenweise Mensch ärgere dich nicht und DoKo. Wollen wir mal hoffen, dass die kommende Nacht für alle erholsam sein wird!

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Dienstag

Nachdem Uli und ich ein oberes Lager ergattert hatten, begann die Nacht vom Platzangebot und Raumklima her zunächst vielversprechend, dann entwickelte sie sich aber zu einer ganz besonderen Nacht (Stichworte: „Auch solche Menschen haben ein Menschenrecht!“ – „Aber nicht nach 22 Uhr!“; bittere Vorwürfe in Waschbecken, „europäisches Örtchen“ und Bett.) Es war viel los und so bekamen wir mal wieder wenig Schlaf.

Nach einem K-Tee-Frühstück verließen wir planmäßig um 9 Uhr die Hütte und stiegen aus Zeitgründen nicht über Riffelscharte und Eibsee, sondern durch die Höllentalklamm ab. Durch die rauscht interessanterweise nicht der Fluss Hölle, sondern der Hammersbach, dem wir bei bedecktem Wetter über tröpfelige Treppen, Stege und glitschige Tunnel abwärts folgten. Ein abenteuerlicher Weg und leider unsere letzte Wanderung! Im Ort Hammersbach stiegen wir nach ca. 30 Minuten Wartezeit in die Zugspitzbahn ein, die uns kostenlos (!) nach Garmisch zurück beförderte. Dort nutzten wir die Wartezeit auf unseren Anschlusszug dazu, einen Tee/ Kaffee und endlich eine EISschokolage für Rainer zu schlürfen, dann für die Rückfahrt die Socken und Stiefel in bewährter Manier mit Febreze zu präparieren. Als wir gerade im Zug Platz genommen hatten, traf Anja plus Freund im Sommerlook ein, um mit uns gemeinsam zurückzufahren. Wie sie es in unseren Dämpfen aushält!?

Und so geht wieder eine tolle Tour zuende. Die Gruppe war nett, das Wetter super, die Bergwelt um den Wetterstein wunderschön. Nur auf die Magen-Darm-Eumel hätten wir ganz gut verzichten können....aber mal ehrlich, ohne sie und die engen Lager hätten wir auch weniger zu erzählen, oder!?

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